Geschrieben am 24.11.2022
Interview - Hausarzt will junge Kollegen ermutigen, Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen / Praxisgemeinschaft als Zukunftsmodell
Kreis Calw: Der Fach- und Hausärztemangel wird immer drängender – längst auch im Kreis Calw. Erst Anfang dieses Jahres schlugen beispielsweise verzweifelte Eltern Alarm, weil sie nach dem Tod eines Kinderarztes in Nagold Ende 2021 nirgends einen neuen finden konnten.
Die Bürgerinitiative Gesundheitsversorgung Kreis Calw hatte daher unlängst zu einem Vortrag eingeladen, um junge Ärzte für die Selbstständigkeit zu begeistern. Referent Tobias Eppel, einer der wenigen jungen Hausärzte in der Region Calw, hat diesen Schritt gewagt. Im Interview spricht er über seine Motivation, seinen Schritt in die Selbstständigkeit und die Zukunft hausärztlicher Versorgung.
Herr Eppel, worin bestand Ihre Motivation, Hausarzt zu werden?
Meine Eltern sind Physiotherapeuten in einer eigenen Praxis. Somit war der Bezug zur Medizin bereits von Kindesbeinen an gegeben. Ich habe erlebt, wie Patienten gekrümmt kamen und fast wieder im normalen Gang die Praxis verlassen haben. Für mich war klar, auch ich wollte später einen medizinischen Beruf ergreifen, um Menschen zu helfen. Mein Umfeld hat mich inspiriert. Meine Eltern gaben mir jedoch den Ratschlag: Werde Arzt und nicht Physiotherapeut! Den Entschluss, Hausarzt zu werden, habe ich bereits in der Ausbildungsphase getroffen. Das besondere Verhältnis Patient und Arzt war meine Motivation und fasziniert mich noch heute. In dieser Rolle habe ich meine Lebensaufgabe gefunden.
Dieses besondere Verhältnis zwischen Patient und Arzt – was zeichnet das aus? Und was ist nötig, damit es entstehen kann?
Dieses besondere Verhältnis zwischen Arzt und Patient beruht, neben dem Vertrauen meiner Patienten in meine ärztliche Kompetenz und Verschwiegenheitspflicht, insbesondere auf der Qualität der Patientenbetreuung. Und dazu gehören – unter der Voraussetzung, dass es sich nicht um eine Akutsituation handelt – ein zeitnaher Termin, ein offenes Ohr, eine angemessene Diagnostik inklusive Therapie und gegebenenfalls Nachsorge und – ganz wichtig – die Mitarbeit des Patienten am Genesungsprozess. Ein anderer Aspekt ist die Dauer der Hausarzt-Patienten-Beziehung, die sich im Normalfall über einen langen Zeitraum hinweg erstrecken kann.
Wie und wo sind Sie in das Berufsleben als junger Facharzt für Allgemeinmedizin gestartet?
Meine Fachausbildung habe ich in der Oberschwabenklinik Ravensburg, Abteilung Innere Medizin bei Prof. Dr. Wiedemann und im Krankenhaus Calw, Klinik für Innere Medizin, bei Prof. Dr. Oberhoff absolviert.
Was war für Sie ausschlaggebend, ein selbstständiger Hausarzt zu werden?
Die Selbstbestimmung der Tätigkeit, wozu auch das Maß der beruflichen Belastung gehört, erlauben eine gesunde Work-Life-Balance. Als Vater von drei Söhnen gelingt mir damit der Spagat zwischen Beruf und Familie am besten.
Sie haben die Chance ergriffen, eine eigene Praxis zu gründen.
Nach Beendigung meiner Ausbildung im Calwer Krankenhaus war ich in zwei Hausarztpraxen in der Region Calw angestellt und habe dort – im Rahmen der Weiterbildung – das volle Spektrum der hausärztlichen Versorgung erlernen dürfen. Als sich die Chance bot, mich in meiner Heimatstadt Bad Liebenzell niederzulassen, habe ich sie am Schopfe gepackt.
Würden Sie sagen, dass der Weg in die Selbstständigkeit für Sie richtig war?
Natürlich war dies der richtige Weg. Meine Praxis ist voll ausgelastet und meine Patienten geben mir zu verstehen, dass sie sich gut betreut fühlen.
Sie sprechen vom Spagat zwischen Beruf und Familie. Wie gelingt der Ihnen, als selbstständiger Arzt mit eigener Praxis? Etwas provokant gefragt: Was ist Ihr Geheimnis, dass weder Sie noch Ihre Patienten zu kurz kommen?
Das Zauberwort heißt Ressourcenmanagement und ist nicht umsonst Bestandteil der hausärztlichen Ausbildung im Studium. Die Optimierungspotenziale der medizinischen und administrativen Praxisprozesse zu kennen und auszuschöpfen ist sicherlich die primäre Quelle, um für Patienten und sich selbst »Luft« zu schaffen. Bei mir gehört aber auch Teamarbeit dazu, und zwar in Praxis und im Privatbereich. Ohne meine Frau würde das nicht funktionieren. Und weil jede Ressource eine endliche ist, muss ich von Zeit zu Zeit auch mal den Mut aufbringen, »Nein« zu sagen.
Welche Versorgungsstrukturen für den hausärztlichen Bereich sehen Sie für die Zukunft?
Auch der Beruf des Hausarztes ist im Wandel, die Zukunft gehört der Praxisgemeinschaft. Die Vorteile dafür liegen auf der Hand: Möglichkeit zur Spezialisierung, optimierte Vertretungssituation und Verteilung der Last der Praxisführung auf mehrere Schultern. Ich strebe ich im Hinblick auf die massive Patientenunterversorgung – zunehmend finden Patienten keinen Hausarzt mehr – dieses Modell mittelfristig an.
Was würden Sie Ihren angehenden Kollegen empfehlen, die ähnliche Ideen haben?
Aus heutiger Sicht kann ich nur sagen: »Traut euch! Die Risiken einer Praxisgründung sind überschaubar. Es ist zwar anstrengend, aber es lohnt sich, und es ist kein Hexenwerk.«
Weitere Informationen:
Dr. Tobias Eppel ist 39 Jahre alt, verheiratet und hat drei Kinder. 2017 gründete er seine Praxis in Bad Liebenzell.
von Ralf Klormann
Schwarzwälder Bote, Teil Nordschwarzwald vom 24.11.2022
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