20221016 Kein Cent mehr für die alte Klinik?

Geschrieben am 16.10.2022

Kein Cent mehr für die alte Klinik?

Faktencheck - Corona-Patient erzählt, selbst der Fernseher werde nicht repariert / Klinikverbund äußert sich

Calw » Die Tage des alten Calwer Krankenhaus sind gezählt – entsprechend wird nicht mehr groß ins Gebäude investiert. Aber heißt das auch, was kaputtgeht, bleibt kaputt? Das zumindest sagt ein Patient. Wir haben nachgefragt, was an den Vorwürfen dran ist. Von Bianca Rousek


Calw Zehn Tage völlige Isolation. Reiner Nolte aus Herrenberg liegt auf der Corona-Isolierstation im Calwer Krankenhaus. Natürlich bekommt er keinen Besuch, hat aber auch keine Zeitung und kein Radio. Und der Fernseher, die einzige Informationsquelle, ist kaputt. »Das Bild kommt«, erzählt der 86-Jährige, »aber der Ton nicht«.

Nolte war eigentlich wegen Kreislaufbeschwerden ins Krankenhaus eingeliefert, nach wenigen Tagen aber positiv auf das Coronavirus getestet worden. Auf der Isolierstation lag er mit einem weiteren infizierten Mann im Zimmer. Wenn man schon mit der Krankheit zu kämpfen habe, sagt er, sollte man wenigstens ein wenig Abwechslung haben. Durch das Fernsehprogramm zum Beispiel. Doch das einzige Unterhaltungsmittel, dass die beiden Männer haben, funktioniert nicht.


Mehrmals habe er das Pflegepersonal gebeten, jemanden zu schicken, der das Gerät repariert, erzählt Nolte. Doch er bekam immer das gleiche zu hören: Die Chefetage habe gesagt, in das alte Krankenhaus werde nicht mehr investiert. Im Klartext: Was jetzt kaputtgeht, bleibt kaputt.


»Das geht nicht«, echauffiert sich der 86-Jährige. »Es gibt nichts, was einen erfreuen und aufbauen könnte.« Für Nolte sei es auch schlimm, nicht zu wissen, was »draußen« los sei. Ist Olaf Scholz überhaupt noch Bundeskanzler? Ist der Krieg in der Ukraine vorbei? Das alles wisse er nicht, meint er. Nolte bezeichnet die Situation gar als »Psychoterror«.


Inzwischen ist der 86-Jährige wieder negativ und wurde aus dem Krankenhaus entlassen. Die Situation in der Isolation beschäftigt ihn trotzdem – vor allem, weil er nicht möchte, dass andere dasselbe erleben müssen. Jedoch, das betont er ganz entschieden, sei das Pflegepersonal nicht schuld an der Misere. Dieses sei freundlich und bemüht gewesen, auch mit dem Essen war er zufrieden. Nur eben die Sache mit der Isolation. Das habe ihm zu schaffen gemacht.


Ein kaputter Fernseher, der aus Kostengründen nicht mehr repariert werden soll. Stimmt das wirklich? Wir haben beim Klinikverbund Südwest, zu dem das Calwer Krankenhaus gehört, nachgefragt


»Ich glaube, hier handelt es sich eher um ein Missverständnis«, sagt Ingo Matheus, Pressesprecher des Verbundes. Zwar räumt er durchaus ein, dass der Klinikverbund dazu angehalten sei, »Investitionen tagtäglich auf den Prüfstand zu stellen und wirtschaftlich zu handeln« – gerade, wenn ein paar Kilometer weiter ein Neubau entsteht. So wäre es aus seiner Sicht nicht verhältnismäßig, jetzt beispielsweise noch Patientenzimmer zu renovieren oder ein neues Patientenentertainment mit Flatscreens einzubauen. Was im Übrigen im Neubau in Calw oder auf dem Flugfeld geplant ist und auch im neuen Bettenbau in Nagold umgesetzt wurde. »Patienten haben dann künftig alle ihr eigenes Infotainment-System direkt am Bett mit Zugang zum Internet, TV, Radio oder Streamingoptionen und nicht mehr den klassischen TV in der Ecke des Patientenzimmers«, erklärt Matheus.


Doch dass man keine außerordentlichen Investitionen mehr tätigen werde, bedeute nicht, dass regelhafte Reparatur- und Instandhaltungsarbeiten – sei es im Bereich des Patientenentertainments oder gar in sicherheitsrelevanten Bereichen – eingestellt werden, betont er. »Wir werden bis zum Umzugstag in den Neubau auf dem Stammheimer Feld alle notwendigen Wartungs-, Reparatur- und Instandhaltungsmaßnahmen im Altbestand durchführen, sei es im technischen oder medizinischen Bereich.« Natürlich werde der Klinikverbund bis zum letzten Tag auch in die medizinische Ausstattung investieren und ein voll funktionstüchtiges und vor allen Dingen sicheres Krankenhaus betreiben. Dazu sei man auch gesetzlich verpflichtet.


Auf den konkreten Fall des Herrenberger Seniors bezogen, meint Matheus: »Dass die alte TV-Technik an der ein oder anderen Stelle mal streikt, ist sicher für den Patienten speziell im Isolierfall sehr ärgerlich und dafür können wir uns nur entschuldigen.« Manchmal hängen Reparaturen aktuell aber auch an langen Lieferketten angesichts der global-politischen Lage in Europa, gibt er zu bedenken. In dem geschilderten Fall vermutet der Pressesprecher jedoch, dass »man auf einer belegten Corona-Isoliereinheit Techniker nur sehr bedingt einschleust«.


Apropos Corona: Auch das Virus stellt den Klinikverbund nach wie vor große Herausforderungen. Die Zahl der Coronapatienten hat sich in den Kliniken des Verbundes (Calw, Nagold, Böblingen, Leonberg, Herrenberg, Sindelfingen) in den vergangenen Wochen mehr als versechsfacht, so Matheus. »Das gepaart mit massiven krankheitsbedingten Mitarbeiterausfällen stellt uns vor große Herausforderungen, nicht nur im medizinisch-pflegerischen Bereich, sondern auch in den unterstützenden Bereichen wie zum Beispiel der Haustechnik, IT, Speisenversorgung, Reinigung und so weiter.«

Von Bianca Rousek

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